Hamburg, 25. Mai 2022. Persönliche Begegnungen sind Schmierstoff für unsere Beziehungen – egal ob mit Kund*innen, Arbeitskolleg*innen oder Freund*innen. Irgendwie scheinen aber viele etwas eingerostet. Wir haben nämlich gemerkt, wie effizient es sein kann, Meetings virtuell abzuhalten. Wir finden es sehr nützlich, die Kamera in einer größeren Runde einfach auszuschalten. Und einige haben mit der Pandemie entdeckt, dass es sehr gemütlich sein kann, sich einzuigeln und niemandem über den Weg zu laufen.
Die direkte Begegnung mit anderen Menschen ist aber eine echte Chance, einen Unterschied zu machen, Beziehungen wachsen zu lassen oder zu erhalten, in Erinnerung zu bleiben, etwas zu bewegen und andere für sich zu gewinnen.
Also wie ging das nochmal mit dem guten Umgang und der sozialen Intelligenz?
Freundlichkeit
Für Freundlichkeit gibt es keine Konventionen oder Regeln. Freundlichkeit ist Einstellungssache. Man ist anderen gegenüber wohlgesinnt und gewillt, das Gute in ihnen zu sehen. Freundliche Menschen sind aufmerksam, hilfsbereit, zugewandt, ehrlich interessiert und einnehmend. Sie denken darüber nach, wie sich andere in ihrer Gegenwart oder in einer Situation fühlen könnten und beziehen das in ihr eigenes Verhalten mit ein. Bei freundlichen Menschen weiß man, woran man ist.
Manchmal kommen Opportunismus und Berechnung als Freundlichkeit verkleidet daher. Mit echter Freundlichkeit hat das nichts zu tun. Mit Format ebenso wenig.
Herzlichkeit
Herzlichkeit ist eine wundervolle Eigenschaft. Sie entspringt einer emotionalen Quelle und äußert sich in einem besonderen, liebenswürdigen Engagement, wie auch einer Verbundenheit, authentischer Wärme und Uneigennützigkeit. Herzliche Menschen machen anderen Menschen gerne eine Freude – und beziehen daraus ebenso viel Freude. Sie sind daran interessiert, mehr über ihren Gesprächspartner zu erfahren als das, was die Höflichkeit erlaubt und der Freundlichkeit vielleicht gelingt.
Höflichkeit
Weil wir so selbstbestimmt leben, wird Höflichkeit oft als Täuschung, als ein Sich-Verbiegen und als unnötige Heuchelei empfunden. Ich saß einmal bei einem Fest an einem großen Tisch mit Unbekannten, wo man sich erzählte, was man denn so beruflich mache. Ich sagte, ich sei Trainerin für Umgangsformen, worauf mein Tischnachbar meinte: „Wer braucht denn so was?!“ Nach diesem Ereignis habe ich mich für einen Schlagfertigkeitskurs angemeldet.
Die Definition von Höflichkeit variiert je nach Zeitgeist und Kultur. Im Kern bleibt sie aber gleich – immer und überall geht es dabei um soziales Einfühlungsvermögen. Dass wir Regeln oder Standards dazu haben und einhalten, hat für die meisten Menschen drei Gründe: Man möchte andere nicht vor den Kopf stoßen. Man möchte von einer bestimmten Gruppe in einem bestimmten Umfeld angenommen werden. Und man will sich, wenn möglich, nicht zum Affen machen.
Im Grunde sollte man durch höfliches Verhalten weder abfallen noch auffallen. Darum ist das Bedürfnis nach Richtlinien auch in einer individualisierten und selbstbestimmten Gesellschaft groß. Es macht alles weniger anstrengend und hilft uns dabei, zu wissen, ob man dem Kunden das Du anbieten kann, wer den Wein bestellt oder was man um Himmels Willen zur Strand-Hochzeit des Freundes anziehen soll.
Die Mischung
Gehört ein Gesamtpaket aus Höflichkeit, Freundlichkeit und Herzlichkeit immer zu einem gelungenen Miteinander? Nicht unbedingt. Obwohl Herzlichkeit ganz sicher nicht falsch ist, kann sie in manchen Situationen auch zu viel des Guten sein und der Aufgabe, die man gerade zu erfüllen hat, im Weg stehen. Auch Freundlichkeit kann man ungewollt übertreiben und dann macht man zum Beispiel einer Person, die man gerade erst kennengelernt hat, ein unangebrachtes Kompliment oder man schafft es vor lauter Liebenswürdigkeit nicht, sich abzugrenzen. Konventionen und Regeln können dafür manchmal steif wirken und es wäre gelegentlich besser, nur aus dem Herzen heraus zu handeln. Und hin und wieder ist es auch völlig ok, einfach nur respektvoll höflich zu sein – auch ohne sich mit der ganz großen Liebenswürdigkeit ins Zeug zu legen.
Ein Gespür dafür zu haben, wie viel von jedem dieser Elemente es in einer gegebenen Situation mit den unterschiedlichsten Menschen verträgt, ist das, was in unseren Begegnungen den feinen Unterschied machen kann.
Redaktion: Catherine Tenger, CLT Training