In vielen Kulturen, insbesondere in Europa, ist Geld ein sensibles Thema. Über Geld zu sprechen kann als unhöflich oder unangemessen empfunden werden, da es oft als persönliches Thema betrachtet wird. Die unterschiedlichen Einstellungen zum Sprechen über Geld sind tief in kulturellen, historischen, sozialen und psychologischen Faktoren verwurzelt. Während Amerikaner in einer Kultur der Offenheit und des Kapitalismus aufgewachsen sind, in der über Geld zu sprechen als normal und notwendig angesehen wird, bevorzugen Menschen in der Schweiz und in Deutschland Zurückhaltung und Diskretion, da Geld als privates Thema betrachtet wird.
Wir sprechen zwar laufend über Geld: beklagen die Inflation, die gestiegenen Kosten in allen Bereichen, aber das eigene Gehalt wird wie ein Staatsgeheimnis gehütet. Diese Angewohnheit hat eine lange Tradition. Bisher waren im deutschsprachigen Europa Einkünfte noch nicht einmal ein passendes Small Talk-Thema: zu persönlich, respektlos, unangemessen. Scheinbar hängt der Wert einer Person in unserer Gesellschaft oft noch mit ihrer Entlohnung zusammen. Diese Zurückhaltung war (und ist) gewollt, da das Offenlegen finanzieller Details zu sozialen Spannungen führen kann, insbesondere in Gruppen mit stark variierenden Einkommen – Stichwort Gehältergerechtigkeit, Neidkultur.
Im Grunde ist die übertriebene Diskretion bei diesem Thema aber unsinnig, weil auch andere Faktoren und Umstände eingerechnet werden müssten, wie zum Beispiel die Vermögensverhältnisse von Ehepartnerinnen und Ehepartnern, Eltern, hohe Schulden, ein Lottogewinn und so weiter. Andere Länder pflegen einen deutlich entspannteren Umgang mit dem Thema Geld. Zu den Grundlagen jedes Small Talks in den USA gehört die Höhe des Gehalts. Und diese kulturelle Erfahrung führt auch in Deutschland langsam dazu, das Thema nicht mehr übermäßig zu tabuisieren.
Verbietet sich grundsätzlich die Frage nach dem Einkommen unseres Gegenübers?
Viele von uns sind neugierig und würden gern wissen, was auf dem Gehaltszettel der anderen Mitarbeitenden, der Vorgesetzten steht. Warum fährt der Kollege aus der anderen Abteilung jetzt einen Dienstwagen? Wie hoch ist der Bonus der Kollegin? Die meisten Menschen in unserem Kulturkreis sind sich allerdings immer noch darüber einig, dass es unangebracht ist, solche Fragen zu stellen. Generell kommt es auf Feingefühl und Respekt vor der Privatsphäre seines Gegenübers an. Oft ist es besser, das Thema nicht direkt anzusprechen und abzuwarten, ob sich im Gespräch eine passende Gelegenheit ergibt. Manchmal kennen selbst Ehepaare ihr gegenseitiges Einkommen nicht. Und bei flüchtigen Bekannten ist es wirklich unsensibel, gleich „aus dem Nähkästchen zu plaudern“. Aber manchmal kann es durchaus sinnvoll sein, über Einkünfte zu sprechen, zum Beispiel vor Gehaltsverhandlungen oder bei gemeinsamen finanziellen Verpflichtungen.
Wer nicht auf die Frage nach seinem Einkommen antworten möchte, kann höflich, aber bestimmt etwa Folgendes sagen:
- „Das ist eine sehr persönliche Information, die ich lieber für mich behalten möchte.“
- „Ich ziehe es vor, mein Einkommen privat zu halten. Ich hoffe, das ist für Sie in Ordnung.“
- „Ich spreche generell nicht über meine Finanzen. Danke für dein/Ihr Verständnis.“
Ist es gerade für Frauen wichtig, unbefangener über Geld zu sprechen? Etwa, um dadurch Souveränität im Umgang mit Finanzen zu signalisieren?
Frauen tauschen sich in so vielen Lebensbereichen aus, nur beim Geld herrscht oft das große Schweigen. Dabei sollten sie sich generell trauen, offener über Geld und ihre Gehälter zu sprechen. Das stärkt die finanzielle Bildung ebenso wie ihr Selbstbewusstsein. Sie können sich gegenseitig unterstützen, Ungleichheiten aufdecken und andere Forderungen stellen. Dies ist besonders wichtig, um die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen zu schließen. Auch hätten in Partnerschaften unfaire Finanzen und ökonomische Abhängigkeiten immer weniger eine Chance. Natürlich gilt auch hier: Jede Frau entscheidet für sich selbst, in welchem Kontext sie über ihr Einkommen sprechen möchte – und wo nicht.
Redaktion: Susanne Helbach-Grosser, TAKT & STIL; Imme Vogelsang, iv-imagetraining